Rückblende

[Update 18.07.2019] 


Im Herbst 2009 begann ich für mich damit, recht detailliert alles aufzuzeichnen, was im Zusammenhang mit den anfänglichen Waden- und Fußbeschwerden stand und steht. Art und Verlauf der Beschwerden, wer mich wann bzw. ab wann untersuchte oder behandelte mit den vielen unterschiedlichen Diagnosen, die vielfach erlebten letzten und ersten Male unterschiedlichster Art.

Diese Chronologie erleichtert es mir deutlich, eine Rückblende auch nach fast 10 Jahren zu erstellen, ist sie doch quasi die Quintessenz der Chronologie.

RÜCKBLENDE


April 2009 - Baustellen. 
Die Baustelle Eigener Hausumbau ist bis auf ein paar Kleinigkeiten - ganz fertig wird man ja nie - seit einigen Monaten schon abgeschlossen. Überhaupt nicht fertig dagegen ist die Gemeinde mit den Umbaumaßnahmen an unserer Straße samt Brückenneubau über den Mühlbach. Später wird der Volksmund diesem Bauwerk den bezeichnenden Namen Ewigkeitsbrücke geben.
Die Martina und mich sehr stark vereinnahmende Baustelle Kommunalwahlen 2009 und UBM (Unabhängige Bürgerliste March) wiederum befindet sich dagegen kurz vor ihrem Endspurt.
Eine ganz neue Baustelle tut sich mir zu dieser Zeit aber auf, eine, deren Tragweite für mein Leben und das meiner Familie zu diesem Zeitpunkt auch nicht nur im Geringsten zu erahnen ist: Habe seit einiger Zeit so seltsame Muskelzuckungen in den Oberschenkeln. Gut sichtbar, gut fühlbar, aber nichts, was mich irgendwie behindert. Drum: Muss ich nicht handeln, wird schon wieder verschwinden irgendwann.




Sommer 2009 - Was tun!?
Die Brücke steht, die Straße ist fertig und die Wahlen verlaufen sehr erfolgreich für uns.
Nur: Das Muskelzucken verschwindet entgegen meiner festen Überzeugung nicht. Jetzt kommt noch ein leichtes Hinken hinzu. Am rechten Fuß können meine Zehen nicht mehr krallen, Fußhebung und -senkung funktionieren rechts nur noch eingeschränkt. Beim Gehen verliere ich meinen Birkenstock-Schuh, stolpere auf ebener Fläche und hinke eben zusehends.
Komme jetzt nicht mehr um einen Hausarztbesuch drumrum...



Herbst 2009 - Beginn einer Odyssee
Hausarzt
Orthopäde
Phlebologe
Physiotherapeut
Neurologin
CT
Nach dem Aufsuchen all dieser helfenden Institutionen noch in 2009 endet das Jahr mit der Erkenntnis - oder besser: Vermutung -, dass ich ein Bandscheibenproblem haben könnte, womit sich auch die Fußheberschwäche erklären ließe. Allerdings nicht - Achtung, ich kann jetzt auch Fremdwort - die Faszikulationen (Muskelzuckungen).
Fischen im Trüben...



Anfang 2010 - Unter's Messer?
Man untersucht in Richtung BandscheibenvorfallCT und MRT zeigen Fehlstellungen, Verknöcherungen und maximal eine Bandscheibenvorwölbung, alles aber noch so im Rahmen, dass die kurzzeitig angedrohte Wirbelsäulen-OP als nicht notwendig erachtet wird.  
Die Zeit der feinen Nadeln mit Verkabelungen in allen möglichen Körperteilen zur Messung der Nervenleitgeschwindigkeit EMG beginnt nun. Und das Warten Warten Warten darauf in der Uniklinik Freiburg.
Was ich habe, weiß immer noch niemand. Und besser wird es auch nicht...



Frühjahr/Sommer 2010 - Warten und stechen
Erstes Hilfsmittel: Peroneus-Schiene rechts.
Letztmals musiziere ich mit dem Musikverein bei der Erstkommunion marschierend.
Viel Zeit verbringe ich inzwischen in Warte- und Behandlungsräumen diverser Ärzte und Heilpraktiker. Fast alle pieksen sie mich...
EMG, neurovegetative Untersuchungen, Lumbalpunktion (Nervenwasseruntersuchung), MRT, Akkupunktur mit heißen und kalten Nadeln, Eigenblutbehandlung, Reizstrom, Myoreflextherapie, Glukose-Toleranz-Test etc. 
?



August/September 2010 - Reha
Mit der Diagnose Bandscheibenvorfall im Hinterkopf, bekam ich im Februar 2010 eine ambulante Reha-Maßnahme genehmigt, die ich ab August hinter mich bringe.
Mitte September notierte ich in meine Chronologie:
Ende der Ambulanten Reha
Hat mir insgesamt gut getan im Hinblick auf körperliche Betätigung, Wissen um meinen Körper, wie der Arbeitsplatz aussehen sollte, Ernährung etc. Gut die Kräftigung an den Geräten, etwas zu viel war die Arbeitsplatz bezogene Therapie bei den Ergotherapeutinnen. Allerdings hab ich da gelernt, dass im Stehen arbeiten auch sinnvoll sein kann und dass ich bei meinen Chefs deshalb den Kauf eines höhenverstellbaren Schreibtisches beantragen werde. Die Unterstützung der Regio-Reha habe ich schriftlich, das könnte auch für eine finanzielle Unterstützung der dt. Rentenversicherung reichen.
Allerdings hat sich bei meiner Fußheberschwäche, dem eigentlichen Problem gar nix getan. Das war allerdings auch nicht anders zu erwarten, diente die Reha doch auch für mich von Anfang an mehr als Schadensbegrenzung.   
Nicht so prickelnd war die Tatsache, dass meine Untersuchungen (Eingangs-, Zwischen- und Schlussuntersuchung) von 3 verschiedenen Ärzten durchgeführt wurden (Fr. Dr. Heim, Hr. Dr. Kortenhaus, Fr. Dr. Müller-Mobashery). Deshalb nicht so gut, weil ein richtiger Vergleich Anfang der Reha mit Ende der Reha so nicht gemacht werden konnte.
Was nun noch folgt ist die Nachsorge: 24 Termine mit jeweils 1 Stunde Gerätetraining und 0,5 Stunde in der Gruppe. Das wird beantragt, sicher auch genehmigt und ganz sicher von mir wahrgenommen.
Tipp von Frau Dr. Müller-Mobashery: Probieren mit Naturheilverfahren. Empfehlen tut sie mir Dr. Qixia Zhi in Freiburg, Ärztin für Allgemeinmedizin, die aber auch die traditionelle chinesische Medizin anwendet!



Oktober 2010 bis Januar 2011 - Stolperfallen
Es kommt immer öfter vor, dass ich stolpere und hinfalle. Nicht nur, wenn's auf Baustellen uneben ist oder ich eine Spur zu unkonzentriert eine Treppe gehe. Nein, auch auf topfebener Strecke schlage ich mir hin und Knie und/oder Hände auf. Und grad an den Beinen dauert die Wundheilung halbe Ewigkeiten.
Ansonsten werde ich weiter gestochen, ohne auf ein Ergebnis zu kommen.


Frühjahr/Sommer 2011 - Eintrag in meiner Chronologie
Keine Arzt-Termine in den folgenden Monaten (Frühjahr/Sommer 2011).
Es ist ein Kraft-Schwund deutlich erkennbar. Probleme gibt es beim Treppen steigen, vor allem dann wenn ich etwas in den Händen habe, sei es den damals einjährigen Simon oder einen Wäschekorb. Probleme gibt es auf unebenem Grund, sei es auf Baustellen oder auf dem Kartoffelacker.
Beim Hof pflästern oder bei einem Fitness-Termin hole ich mir richtig heftigen Muskelkater, so wie noch nie.
Beim Lichterfest im Juli beobachtet mich Physiotherapeut Stefan Brüggemann. Er hat über meinen Bruder meinen hilfesuchenden Eintrag in einem Internetforum gelesen.
Er kümmert sich, hört sich um. Unter anderem bei einer Bekannten, die als Ärztin in Ulm arbeitet.
Sie hat aber keine Idee.
Stefan ermutigt mich, auf jeden Fall weiter zu suchen und etwas dafür zu tun, dass mein unrund laufen nicht noch schlimmer wird. Fürs Knie zum Beispiel empfiehlt er mir eine Bandage, Schiene o.ä.



September/Oktober 2011 - Weiter, immer weiter
Ich habe Termine bei einer "Wunderheilerin", die auch schon Menschen helfen konnte, die zuvor außer der Schulmedizin sonst nichts anderes gelten ließen. Bleibt bei mir ohne zählbaren Erfolg.
Seit dieser Zeit hat mich Physiotherapeut Stefan Brüggemann in seiner Mangel. Erstes "Projekt" neben den Behandlungen: Eine Orthese für mein rechtes Knie.
Beim Hausarzt Dr. Böhler steht ein großer Gesundheitscheck der allgemeinen Art an. Ergebnis: Ein leicht erhöhter Blutdruck, kleiner Knoten im Bereich der Schilddrüse (harmlos, Hashimoto). Sonst kerngesund. Achso, irgendwelche Muskelwerte sind nicht normal...
In der Neurologischen Tagesklinik im Uniklinikum Freiburg, werden weitere, sehr umfangreiche Untersuchungen und Messungen und Arztgespräche durchgeführt. Ergebnis: Vorsichtige Diagnose Multifokale Motorische Neuropathie (MMN) . Therapieversuch Immunglobuline.



November/Dezember 2011 - Immunglobuline
Bei der MMN kann eine Therapie mit intravenös verabreichten Immunglobulinen (IvIG) helfen. Da die Diagnose MMN bei mir allerdings auf wackligen Beinen steht, ist die IvIG-Therapie eher Teil der Diffentialdiagnostik. Das heißt, bessert sich mein Zustand nach IvIG-Gabe, ist die MMN wahrscheinlich, ohne Besserung eher auszuschließen.
Meine Neurologin Dr. Peschen-Rosin rät mir zur Therapie.
Dann, an fünf Tagen unmittelbar vor und nach Weihnachten, ist es soweit: Ich hänge 5 bis 7 Stunden täglich am Tropf und bekomme das Teufelszeug. Erste (Neben-)Wirkung: Kopfweh, immer am Abend.



Januar/Februar 2012 - Sinnvoll vs. Nicht sinnvoll
Prof. Rauer vs. Oberarzt Reinhard
Zweiter IvIg-Zyklus & keine Nervenbiopsie vs. IvIG-Stop & Nervenbiopsie
Die Gelehrten streiten sich darum, wie es weiter geht mit mir.
Hätten die Immunglobuline angeschlagen, wäre für Februar ein zweiter Zyklus vorgesehen gewesen. Dazu wird die Durchführung einer Nervenbiopsie diskutiert.
Letztendlich setzt sich Dr. Reinhard durch, weil die IvIG vom Dezember ohne Wirkung bleibt.
Bei der Nervenbiopsie wird in einem chirurgischem Eingriff ein Stück Nervengewebe entnommen, bei mir am rechten Fuß, das auf diverse Krankheiten hin untersucht wird.
Außer weiteren Ausschlüssen – keine Vaskulitis – kommt auch hier nichts dabei raus, dafür habe ich einige Tage mit Nachwirkungen des Eingriffs zu kämpfen.



März/April 2012 – Links wie rechts
So langsam sind die Freiburger Neurologen am Ende mit ihrem Diagnostik-Latein.
Man schickt mich in die Hautklinik und die Phlebologie: Kein Befund (Sarkoidose, Neuroborreliose).
Wegen einer Zweitmeinung nehme ich Kontakt auf mit dem Friedrich-Baur-Institut der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Dort erfahre ich wenig Neues. Untersucht und diagnostiziert wird wie in Freiburg: MMN, oder so. Nochmal IvIG, alternativ Cortison.
Das Beste an der Tagesreise nach München, ist der Besuch der Berufsfeuerwehr von Martina und den Jungs inklusive einer persönlichen Führung.
In dieser Zeit: Letzte überwachende Tätigkeit auf einer Baustelle, letzter Stehplatzbesuch beim SC Freiburg.
Déja-vu? Was vor 2,5 bis 3 Jahren am rechten Fuß begonnen hat (s. oben), wiederholt sich nun links…



Mai/Juni 2012 – Cortison & Walken
Start des Therapieversuches Cortison. Dauert bis in den Herbst. Außer Mondgesicht keine Reaktion meines Körpers.
Start des Therapieversuches Mehr Sport, Radeln und Walken mit Andreas. Dass Überbeanspruchung bei Muskelerkrankungen kontraproduktiv wirken kann, ist zu der Zeit zwar bekannt, im Kopf aber noch nicht drin.
Radeln geht übrigens noch, wenn das Auf- und Absteigen nicht wäre. Fürs Walken kaufe ich mir Stöcke.
Und auch mein linker Fuß bekommt seine Peroneus-Schiene.



Juli/August 2012 – Abkehr & Abgefahrenes & Einlauf
Rückzug aus der Kommunalpolitk.
Abkehr von der Diagnose MMN, es spricht zu viel dagegen.
IvIG kommen wieder ins Spiel.
HIV und Syphilis und noch mehr negativ als Ergebnis einer ganzen Reihe O-Ton Oberarzt „abgefahrener“ weil seltener Tests.
Gendiagnostik wird angeleiert.
Rektumschleimhautbiopsie in der Endoskopie der Uniklinik, Zitat dortiger Oberarzt: „14 Jahre Endoskopie, tausende Proben. Aber diese Anfrage hatte ich noch nie“. Befund ist negativ.
Immer öfter gehe ich in die Knie, immer öfter auch schmerzhaft, mehrfach benötige ich Hilfe zum Aufstehen.
Mit meinem normalen Rad stürze ich beim Versuch, anzuhalten und abzusteigen, recht heftig. Mit diesem Rad ist das meine letzte Tour. Das wenige Tage danach gekaufte, gebrauchte Fahrrad 'mit extra tiefem Einstieg', nutze ich nur noch wenige Male.
Wanderungen und Ausflüge jetzt meist ohne mich.
ZSE in Ulm angeschrieben: Keine Idee.



September/Oktober 2012 – Die Gene, das Auto
Meine vermeintlich letzten Familienausflüge mit längeren Spaziergängen: Raimartihof mit Feldsee sowie Europapark. Mit Stöcken, was auch im Alltag immer öfter der Fall ist.
Beginn der genetischen Beratung, erste Ergebnisse sind negativ.
Kontaktaufnahme mit der Firma Zawatzky zwecks Autoumbau.
Iris-Diagnostik bei einer Heilpraktikerin bleibt ohne Ergebnis.
Schwerbehindertenausweis wird beim Landratsamt beantragt.
Stand 04.10.2012 ist die Diagnose Polyneuropathie übrigens Fakt! (Alternative Fakten kennt man 2012 noch nicht. Dieser Fakt könnte aber einer sein)



November/Dezember 2012 – IvIG, Innenmeniskus und VW Caddy
Therapieversuche der hilflosen Art: Eine erneute 5-tägige IvIG-Serie im November, noch eine im Dezember.
Bei einem wiederholten Sturz, ziehe ich mir einen Riss des Innenmeniskus im stärkeren linken Bein zu. Ist nach anfänglichen Beschwerden zum Glück bald kein Problem mehr.
Die Reha naht: Nach Rücksprache mit meinem Physiotherapeuten Stefan, versuche ich, in die Weserberglandklinik Höxter zu kommen.
Es erfolgt eine erste Kontaktaufnahme mit der Uniklinik Erlangen, Prof. Dr. Heuss, der mir fürs Einholen einer Drittmeinung empfohlen wurde.
Bei VW in Weinheim arbeitet Kay Schnepper, der Schwiegersohn eines Cousins von mir. Den VW Caddy, den wir 3 Tage vor Silvester dort abholen, finde ich über das Internet, Kay kümmert sich um den Rest, auch um den Zawatzky-Umbau (Zawatzky Handgerät Typ Heidelberg RS), so dass wir nur noch den Touran abliefern müssen, um sogleich mit dem neuen Auto erstmals fußlos heim fahren zu können.



Januar bis März 2013 – im Vorfeld der Reha
Fahren geübt auf sonntäglichen (= leeren) Parkplätzen, „Führerschein gemacht“ für die neue Situation.
Ich bekomme monatlich eine IvIG-Erhaltungsgabe, das heißt, 5 Fläschchen an einem Tag (Ein Zyklus bedeutete bei mir 23 Fläschchen über 5 Tage). Warum immer noch IvIG, weiß inzwischen wohl niemand mehr…
Ein Termin bei einer weiteren Heilpraktikerin mit weiteren, umfangreichen Untersuchungen, bringt einen weiteren negativen Befund. Sie empfiehlt unter anderem dringend, das Amalgam in meinen Zähnen zu entsorgen.
Die Reha ist nun fix in Höxter anstatt Bad Sooden-Allendorf und für April terminiert.



April 2013 – 4 Wochen Höxter
Mein Physiotherapeut Stefan absolvierte seine Ausbildung in der Weserberglandklinik in Höxter, die er mir somit guten Gewissen empfehlen konnte.
Krankengymnastik, Elektro-Gymnastik und ­Massage, Vibrax, Motomed, Gerätetraining, Ultraschall-Bad, Vorträge, Ergotherapie, Massage, Bürstenbad, Psychotherapie.
Ein umfangreiches Programm gilt es, zu absolvieren.
Visiten und einige Gespräche machen deutlich, dass auch hier mehr Ratlosigkeit herrscht, als dass es neue Ideen bezüglich Diagnose und Therapien gibt. Zumindest mir gegenüber. Erst viel später – 2017 oder so -, erfahre ich, dass die erfahrenen Therapeuten die quasi inoffizielle Diagnose ALS schon während meiner Reha sehen.
Im April 13 laufe ich praktisch nur noch an Stöcken, an Walkingstöcken. Ohne gingen nur noch wenige Schritte, mit Haltemöglichkeiten in Reichweite.
Mit meinen Wanderstöcken, den schweren Trekking-Schuhen (wegen den Peroneusschienen) und immer einem Rucksack aufm Buckel, habe ich im Haus in Höxter bald den Ruf des Indoor-Wanderers weg.


Mai/Juni 2013 – Hilfsmittel, Leistungstests, Erlangen 
Ich bekomme monatlich eine IvIG-Erhaltungsgabe. Warum immer noch IvIG, weiß inzwischen wohl niemand mehr…
Im Nachgang zur Reha absolviert Stefan mit mir regelmäßige Leistungstests wie in der Reha, um auf diesem Weg den Verlauf zu dokumentieren.
Erste Hilfsmittel daheim oder im Büro wie höherer WC-Sitz, Haltegriffe in der Dusche oder ein Badhocker sollen mir helfen und tun sie auch für’s Erste.
Aus Befunden der Uniklinik Freiburg:
- „Depressionen liegen (noch) nicht vor.“ Danke.
- Aktueller Diagnose-Stand: keine MMN, keine Spinale Muskelathropie! Ganz normale Polyneuropathie.
- Vorschlag: Therapieeskalation
Mein Arbeitgeber unterstützt mich derweil wo er kann. Sensationell!
In der Neurologie der Uniklinik Erlangen bekomme ich relativ kurzfristig einen Termin bei Prof. Dr. Heuss.
Nach ausführlichen Untersuchungen, u. a. auch Ultraschall und wieder EMG steht am Ende der „Dringende Verdacht auf Motoneuronerkrankung.“ und die Empfehlung, Rilutek einzunehmen. ALS also, was ich aber zu diesem Zeitpunkt noch halbwegs erfolgreich verdrängen kann. Nicht zuletzt aber auch, weil ALS von einigen Freiburger Ärzten weiterhin ausgeschlossen wird.



Juli/August 2013 – Urlaub „barrierefrei“
Was ist mit meinen Händen bzw. mit meiner rechten Hand? Einbildung oder tatsächliche Schwäche? Probleme beim Tankdeckel öffnen, hin und wieder Probleme beim Hose zu knöpfen, Probleme beim Öffnen der Klammer beim Hosenbügel. 
Viele Freunde, Bekannte wollen helfen, kennen jemanden, der von anderen gehört hat, es gäbe da diese oder jene Krankheit, die meinen Gebrechen irgendwie ähnelt, die ließe sich mit jenem oder diesem behandeln oder gar heilen. Dazu entsprechende Hinweise in Form von Zeitschriftenausschnitten, Internetlinks, Betroffenen-Telefonnummern oder Sendetermine im Fernsehen oder Radio. Dankbar sind wir für jeden Tipp. Inzwischen bin ich schon so fit, dass ich bei vielem gleich weiß, was infrage kommt und was nicht. Den Rest kläre ich mit den Ärzten ab. Eine neue Spur ergibt sich auf diesem Weg leider auch nicht.
Aus Erlangen noch abzuarbeiten: Tay-Sachs-Erkrankung TSE oder dHMN (distale hereditäre Motorische Neuropathie). Negativ.
Letztmals IvIG, weil sinnlos.
Urlaub in Ostrach bzw. am Bodensee
1.Tag, entgegen telefonisch gemachten Angaben: zu viele Treppen zur Ferienwohnung, mein Bett wird verlegt, Matratzen vom DG ins OG verlegt
2. Tag, am See, wir parken in Fischbach (FN) quasi direkt am See auf einem Behindertenparkplatz. Der erstmals genutzte Rollator bietet mir eine unabhängige Sitzgelegenheit. Laufen am Rollator passt mir noch nicht richtig
3. Tag, wg. Uninformiertheit parken wir in Meersburg nicht an der Anlegestelle der Touri-Boote sondern bei der Fähranlegestelle. Das beschert uns einen (v. a. für mich) beschwerlichen Weg durch die Meersburger Unterstadt. Dafür holen mich spätnachmittags Martina, die Kinder und Lucia nahe der Anlegestelle ab.
Glück haben wir mit der MS Überlingen, die einen Lift und behindertengerechte WCs hat.
4. Tag, Gartenschau in Sigmaringen. Parken funktioniert bestens. Ansonsten: Mein erster Tag im (geliehenen) Rollstuhl….
5. Tag, mit der Pfänderbahn auf den Pfänder. Parken wieder bestens. Oben mit dem Rollator unterwegs.
6. Tag, wir bleiben zuhause, weil Martina und Lucas daheim sind wg. Kiga-Verabschiedung. Dennoch wird es der einzige Tag im Urlaub sein, an dem ich zwei Mal runter und rauf im Haus gehe
7. Tag, Traktormuseum, parken wieder bestens. Im Museum geht’s einigermaßen gut bei mir. Nachmittag bei Zeppelin und absolut eben bei Karin in bzw. bei FN.



September bis Dezember 2013 – Rilutek & Lidl liefert & Amalgam-Abbau
Mit der Bestellung eines Rollators bei Lidl umgehe ich den umständlichen Weg über Krankenkasse & Co. Das kostet mich zwar Euro, dafür keine Kraft und Nerven.
Forciert werden sollen die genetischen Untersuchungen, allerdings gilt es aufgrund der Fülle der verschiedenen Gene, die man untersuchen will, mit der Krankenkasse noch einiges zwecks Kostenübernahme abzuklären.
Etwas widerwillig beginnt mein Zahnarzt mit dem Austausch aller meiner Amalgam-Füllungen.
Beginn der Einnahme von Rilutek, trotz Freiburger Zweifeln an der Diagnose ALS.
Chronologie 20.11., Termin in der Tagesklinik des Neurozentrums.
Die Ärztin macht die üblichen Tests und verschafft sich einen Überblick, sie kennt mich ja noch nicht. Danach gehe ich zur Physiotherapie, die Therapeutin  macht div. Krafttests mit mir. Sie macht mir wenig Illusionen, spricht davon, dass ich grade noch oberhalb der Gehfähigkeit bin. Ein Sturz, ein Bruch oder was ähnliches und der Rollstuhl blüht.
Sie empfiehlt weiter Physiotherapie, allerdings nach dem Motto „Du brauchst die Kraft im Alltag, nicht beim Physiotherapeuten“. Und sie empfiehlt Ergotherapie. Und einen Motomed, der mich und meine Beine und meine Arme per Motor bewegt.
Nächste Station: Elektrophysiologie. Erst führt eine Ärztin diverse Messungen durch. Mit Nadeln im Kopf und Rücken etc. Mit der Spule auf dem Kopf (wie Erlangen). Dann sind zwei Ärzte dabei, alles mögliche an den Füßen, Beinen, Händen, Armen zu messen. Es gibt Willkür in (min.) 3 von 4 Etagen. Das heißt klare Veränderungen auch in der rechten Hand. Und wohl auch schon in der linken Hand. Völlig unauffällig allerdings die Messungen im Gesicht und beim Ultraschall des Kehlkopfes. Immerhin was.
Tagesabschlussgespräch mit dem Oberarzt.
Vorweg: Es sieht nicht aus, als ob ich ALS hätte. Dafür spricht schon das eine oder andere, allerdings spricht viel mehr dagegen. Was es letztlich ist? „Keine Ahnung“. Er bringt jetzt auch wieder MMN ins Spiel. Auch wenn die Immunglobuline von 2012 + 2013 keinerlei Wirkung zeigten. Es soll nochmal das Blut untersucht werden und eine Lumbalpunktion erfolgen. Dazu ein MRT der Halswirbelsäule und der oberen Brustwirbelsäule. Mit dem Humangenetikier soll Kontakt aufgenommen werden, ob mit der schon abgegebenen Blutprobe evtl. auch noch untersucht werden könnte, ob es Hinweise für eine spinale Muskelathropie (SMA) gibt.
Therapieidee, falls alle Untersuchungen weiter ohne Befund sind: Blutwäsche. Das hilft zum Beispiel bei der CIDP. Wobei CIDP bei mir eigentlich ausgeschlossen wird. Es handelt sich also um eine Blind-Therapie. Versuch macht kluch.
Chronologie 24.11., Zwischenruf
Es sind weiter einige Menschen auf der Suche nach dem, was mich fertig macht. Alltag inzwischen: [geschrieben habe ich das im November 2013, im Juni 2019 sind die damaligen Probleme allerdings Luxusprobleme] Ich kann daheim praktisch nichts mehr machen, außer sitzen. Immerhin kümmere ich mich so mehr um die Jungs, als ich es gesund machen würde.
Fürs Haus haben wir bei meinem Cousin Handläufe bestellt, die sollen mir das Treppen laufen erleichtern.
Die Messungen an den Händen bestätigen mein Empfinden: Rechts wird schwächer. Schwierigkeiten beim Hemd zu knöpfen, beim Schuhe binden, beim Schreiben oder mit der Maus, beim Fleisch schneiden. Vor allem mit klammen Fingern oder nach eine Anstrengung. Einfach das fällt schwerer, wozu man Daumen und Zeigefinger benötigt. Man sieht der rechten Hand den Muskelschwund auch schon an.
Im Büro nutze ich einen Rollator, ebenso daheim im EG. In beiden Fällen sind sie mir eine große Hilfe.
Ich nehme noch Rilutek ein, bin aber aktuell dabei, zu klären, ob das Zeugs noch notwendig ist; wenn ALS eher unwahrscheinlich ist.
Große Unterstützung erfahre ich daheim. Vor allem Lucia, die auch Martina einiges abnimmt. Aber auch Pius, meine Eltern, Konrad, Sonja, Klaus, Heidrun. An Unterstützung mangelt es überhaupt nicht. 
Auch im Büro. Walter hat angedeutet nach meinem letzten Besuch im Neurozentrum, dass auch umfangreichere Umbauten im Gebäude ein Thema sind wenn erforderlich.


Januar bis März 2014 – Ergo, Rollstuhl, Motomed, GdB100-G-aG-B
Erster Termin für Ergotherapie bei Zahoransky-Gorenflo in Herbolzheim, in Nachbarschaft zu meinem Arbeitsplatz. Hier gebe ich für die nächsten 18 Monate  meine Hände in die Hände der Therapeutin Antonia Schächtele.
Mein erster Rollstuhl und der Motomed sind da.
MRT Halswirbelsäule und obere Brustwirbelsäule & erneute Lumbalpunktion sind allesamt ohne Befund.
Einstufung durch das Landratsamt: GdB 100 – G – aG – B
- GdB 100 Grad der Behinderung 100
- G gehbehindert
- aG außergewöhnlich gehbehindert
- B Mitnahmeberechtigung für eine Begleitperson
Während ich Gasthausbesuche mit heftigen Treppenstürzen bezahle („Gleis 1“) und mein Arbeitsplatz immer mehr auf mich eingestellt wird, arbeiten Freunde und Verwandtschaft beinahe im Dutzend daran, dass unser Brennholz nicht zur Neige geht. Davor kann ich nur den Hut ziehen.


April bis Juni 2014 – Duschensturz
Wieder mehr Teilhabe dank Rollstuhl: SC-Spiele, Vorträge besucht.
Den Euroschlüssel für Behindertentoiletten habe ich mir zugelegt. Gute Sache!
Sonntag morgen, ich stürze in der Dusche und komme nicht mehr vor, nicht mehr zurück. Und schon gar nicht mehr hoch. Ohne Hilfe!
In der Abteilung Umweltmedizin der Uniklinik Freiburg  wird eine Untersuchung auf Umweltgifte, hier Schwermetalle, gestartet. Ergebnis: Blei & Co. sind völlig unauffällig. Lediglich Molybdän wurde bei mir über dem Grenzwert gefunden. Das als Ursache oder Auslöser meiner neurologischen Beschwerden kann praktisch ausgeschlossen werden.Hilfesuchend an das Zentrum für unerkannte Krankheiten in Marburg gewandt, das zu der Zeit sehr präsent in den Medien ist.
Angeleiert: 
- Besuch des MDK wg. Eingruppierung in Pflegestufen --> Pflegestufe 1
- Treppenlifte für  daheim: 1 x vom Hauseingang ins EG, 1 x vom EG ins OG. Gesamtkosten ca 16.300€ abzüglich Zuschuss der Pflegekasse ca. 2.500 --> ThyssenKrupp
- Blutuntersuchung Borrelien --> unauffällig
- umfangreiche genetische Untersuchungen


Juli bis September 2014  - Rollstuhl-Alltag
Einbau der beiden Treppenlifte und Umbau des Bades, zuvor letztmaliges völlig selbständiges Duschen stehend.
Die ersten Befunde der Humangenetik trudeln ein, alles ok soweit, bis auf eine Auffälligkeit, bei der ein Zusammenhang mit meinen Gebrechen aber nahezu ausgeschlossen werden kann.
Eine Rheumatologin findet genauso wenig eine Antwort wie aus der Ferne das ZUK Marburg.
Alltag im Rollstuhl:
- Schippern auf dem Rhein
- Musikprobe und Auftritte
- Geburtstag mit Gästen
- Neil Young in Colmar
- Flohmarkt im Elsass
- Ausflug Hohkönigsburg
- Ausflug Wilhelma, Stuttgart
- Urlaub am Bodensee, Tettnang-Gitzensteig, Ferienhof Egger
Tatsächlich barrierefrei und schön für Familien mit Kindern, unser Stützpunkt für div. Bodenseeziele und einen Ausflug auf die Zugspitze!


Oktober bis Dezember 2014 - Am Boden
Die Stürze häufen sich, aufstehen ohne Hilfe geht längst nicht mehr.
6. Dezember 2014: Der Abend, an dem ich letztmals auf eigenen Beinen stehe. Beim Versuch, mit Rollator die paar Meter von der Garage zum Haus eigenfüßig zurück zu legen, stürze ich abermals. Vorübergehend heftige Knieschmerzen im Nachgang, ersticken weitere Gehversuche im Keim. 
Im Büro lasse ich mich künftig vom und zum Auto mit Rollstuhl chauffieren.
Gentechnisch ist bei mir alles ok.
Im Thermalbad teste ich das Gehen im Wasser, das funktioniert.
Bei Paravan in Heidelberg werden in Sache E-Rolli  und umgebautes Auto Nägel mit Köpfen gemacht.
Der Test Treppen überwinden mit einem Scalamobil misslingt. Werbevideos für so ein Teil sind geduldig, wenn der Patient 2 Zentner wiegt und die Treppe kurvig ist.
Mein letzter Auftritt mit dem Musikverein weil:
- Ich sitze im Rollstuhl und muss meinen Oberkörper aufrecht halten durch Arme aufstützen auf den Armlehnen.
- Es fehlt an Kraft, nichts mehr mit Luftsäule aufbauen und Stützen mittels Zwerchfell, mein Tonumfang endet beim C‘‘. Was meine Vorderleute freuen würde: Forte geht nicht mehr.
- Das Halten der Trompete. Das geht, solange das dritte Ventil nicht gebraucht wird. Ist das aber der Fall und muss womöglich noch der dritte Zug ausgezogen werden, fällt mit das Instrument fast aus der Hand.


Januar, Februar 2015 - Längst tot
Pflegestufe 2 ist durch.
Für den Kfz-Umbau etc. benötige ich ein verkehrsmedizinisches Gutachten. Deshalb suche ich in Heidelberg einen von Paravan empfohlenen Neurologen auf.. Er untersucht routiniert und stellt das Gutachten in meinem Sinn aus. Zur Diagnose ALS meint er wörtlich zu mir: „Wenn Sie ALS hätten, wären Sie nach 7 Jahren tot, dann bräuchten wir heute dieses Gutachten nicht machen.“ Klingt gut irgendwie...
Verlaufskontrolle in der Uniklinik Freiburg: Es wird schlechter, ALS trotzdem eher unwahrscheinlich. Klingt gut irgendwie...
Test einer weiteren Heilpraktikerin, wie sich nach einigen Terminen herausstellt, eine der eher unseriösen, unfähigen Art: Sie diagnostiziert mir quasi nach dem Mund, d. h. ich frage, sie findet genau da eine Ursache. Und so groß ihre Versprechungen ("bald wieder raus ausm Rollstuhl"), so groß ist ihr Unvermögen. Nach meinem letzten Termin sitze ich wegen von ihr verordneten Mittelchen stundenlang mit Verstopfung auf der Schüssel.  
Fürs lange Sitzen kaufe ich mir einen "Rentner-Sessel" mit umfangreicher Ausstattung, u. a. eine Aufstehhilfe.




18. Februar 2015 - Die Diagnose
Was für ein Tag!
Um 02.15 Uhr will ich auf die Toilette. Auf den Rollstuhl schaffe ich es mit ziemlich Hektik. Dann fällt der Vierbeinstock um, den ich umgehend aufheben will. Dabei kippe ich nach vorne über, sitze zwar noch auf dem Stuhl, komme aber nicht mehr hoch. Bis Martina mir helfen kann, rutsche ich ganz vom Stuhl herunter. Jetzt ist guter Rat teuer. Am Ende nimmt Martina die Matratze  raus aus dem Bett, legt sie auf den Boden und mich obendrauf. So schlafe ich bis um 06.00 Uhr, um dann Pius ausm Geschäft und Andreas ausm Bett zu klingeln, dass sie mich aufheben können.
Termin im Neurozentrum der Uniklinik Freiburg zur neuromuskulären Sprechstunde bei Prof. Glocker. Nach ungewöhnlich kurzer Wartezeit kommen wir schon dran. Es geht - mal wieder -  ins Labor zur Untersuchung. Wobei so viel gar nicht untersucht wird: Mit Ultraschall die Zunge und im Oberschenkel. Die Reflexe in Armen und Beinen.
Schlussendlich kommt er zu dem Fazit: ALS!
Eher nicht mit dem üblichen Verlauf, eher ein milder Verlauf. Allerdings geht er mit 99%-iger Wahrscheinlichkeit von ALS aus. Weitere Untersuchungen machen jetzt nur noch wenig Sinn.
Das wars………



...bis zum 08. Juli 2015
Post von der Deutschen Rentenversicherung: E-Rolli und Kfz-Umbau sind genehmigt, wir bestellen  beides und den Neuwagen bei Citroen.
Der Weg zum Auto mit Umbau
Den E-Rolli soll ich schon Anfang Juli geliefert bekommen, die Krankheit des Paravan-Mitarbeiters verhindert leider die geplante Auslieferung.
Weitere Tests von Heilpraktikern bringen nichts Erhellendes (Schlafplatz, PCB, Borrelien, etc.)
Fürs aufrechte stehen üben, bekomme ich einen Stehständer.
Termine mit Sozialstation und in der ALS-Sprechstunde der Uniklinik Freiburg, mit Tipps zum weiteren Leben.
26. Juni, meine letzte Autofahrt vom Büro in Herbolzheim zum Europapark
3. Juli, mein letzter Eintrag in der Chronologie
Irgendwie ist die Diagnose ALS immer noch nicht richtig drin in unseren Köpfen?!
08. Juli 2015


[Fortsetzung folgt, ist in Arbeit]

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