Samstag, 18. Mai 2019

Arbeit, Arbeit, nichts als Arbeit?

Habe ich es der Gemeinde Ebringen am schönen Schönberg zu verdanken, dass ich heute immer noch was schaffen kann? Oder war's der Wettergott? Womöglich hauptsächlich Internet & Co.? Oder schlicht das Schicksal?
So kam's.

In der Zeit, als die Gemeinde Ebringen beschloss, das Flachdachgebäude ihrer Grundschule um ein Geschoss mit 'richtigem' Dach aufzustocken, verrichtete ich mein Tagwerk in der Regel treu und brav als Zimmerergeselle auf Baustellen in und um Freiburg.


 




Wir, die Firma Holzbau Unmüßig, wurden dann auch fürs Zimmern in Ebringen auserkoren und schlugen im tiefsten Winter auf der Baustelle auf. Nasskalt war's, Schneematsch und Pfützen allüberall. Und ganz viel Arbeiten auf den Knien.
Dieser Mix war schließlich verantwortlich dafür, dass sich der Schleimbeutel meines rechten Knies derart entzündete, dass ich zwei oder drei Wochen arbeitsunfähig war.
Nun war es durchaus so, dass mir da auch schon klar war, dass ich nicht den Rest meines Arbeitslebens auf Baustellen bei jedem Wetter verbringen will. Über Alternativen allerdings hatte ich noch überhaupt nicht nachgedacht. Nicht mal, wenn Berufsschullehrer dem guten Azubi bescheinigten, "du machst bestimmt weiter", nicht mal das regte mein Nachdenken an.
Es musste wohl genau diese Auszeit kommen, in der ganze zwei Tage inklusive Infos beim Arbeitsamt einholen genügten und ich wusste, was ich wollte: Die Tragwerksplanung sollte es sein.
Ein halbes Jahr später war mein hauptamtlicher Auftritt als Handwerker auf Baustellen Geschichte und es ging mit Schultüte in die Klasse BKFH3, dem einjährigen Berufskolleg zum Erwerb der Fachhochschulreife.
Nach dem einen Jahr schloss ich direkt ein Studium Bauingenieurwesen an der Fachhochschule Karlsruhe, heute Hochschule Karlsruhe - Technik und Wirtschaft, an.
Mein abschließendes siebtes Semester dort war ganz dem Erstellen meiner Diplomarbeit gewidmet: Eine Tribünenkonstruktion in Holz- und Massivbauweise.
Als glühender Anhänger des SC Freiburg, der zu dieser Zeit mächtig für Furore sorgte, war mir nicht entgangen, wer für die laufenden Ausbaumaßnahmen des Dreisamstadions verantwortlich zeichnete: Die Firma Industriebau Freyler. Für meine Diplomarbeit wollte ich von Freyler wissen, wie sie Tribünen bauen, sie verwiesen mich an das Ingenieurbüro Walther & Reinhardt.
Und von dem wollte ich hier eigentlich erzählen. 😃





Mein Arbeitsverhältniss mit Walther & Reinhardt (W & R) wird demnächst volljährig: Seit Juli 2001 bin ich dort beschäftigt. Ich schreibe bewusst 'wird volljährig' und nicht 'würde'. Denn trotz Rollstuhl, trotz 24 Stunden Beatmung, trotz weit fortgeschrittener Lähmung der Hände, trotz Sprachverlust, trotz Pflegegrad 5 und Frührente, trotz alledem, bin ich immer noch Teil des Teams.
Den ersten Kontakt gab es wie oben beschrieben bereits zu Zeiten meiner Diplomarbeit. In meinem ersten Job nach dem Studium (Ing.-Büro C. Hofmann in Bad Krozingen, heute PfeiferConsult) hatte ich sehr oft mit W & R zu tun.





2001 schließlich fand zusammen, was wohl zusammen gehörte. Ich profitierte dort schnell von einem guten Arbeitsklima, von viel freier Hand und (meist) interessanten Aufträgen und Aufgaben. Im Gegenzug lieferte ich aber auch nicht die schlechteste Arbeit ab denke ich.
Spätestens als ich dann 2010 wegen meiner dreiwöchigen ambulanten Reha-Maßnahme erstmals länger fehlte, wurde allen klar, was ich sowieso offen kommunizierte: Ich habe ein Problem. Kein kleines dazu.
Seit dieser Zeit wurde mir eine beispiellose Unterstützung zuteil.
Angefangen hat es mit dem Stehtisch fürs Büro auf meinen Wunsch.
Irgendwann wurden überwachende Tätigkeiten auf Baustellen zu anstrengend, ja sogar gefährlich. Kein Thema, meine Chefs und Kollegen übernahmen.
Mein Büro lag glücklicherweise im Erdgeschoss und war ebenerdig fast problemlos zu erreichen. Die eine Stufe war nur kurz ein Problem. Problematisch wurde irgendwann die Treppe ins Obergeschoss, wo die Chefs und die Verwaltung ihre Räume haben und wo nicht zuletzt unser Besprechungsraum ist. Kein Problem: Die Chefs kamen jetzt halt zu mir und für größere Runden wurde kurzerhand eine Besprechungsmöglichkeit im EG eingerichtet.
Es gab nie ein Nein, wenn ich mal wieder was Neues brauchte: Ein Geschäftsauto mit Automatikgetriebe oder das Büro-WC behindertengerecht umgebaut.
Irgendwann wurden Architekten, Bauleiter oder andere Baubeteiligte zu Besprechungen, die im Normalfall nicht bei uns durchgeführt worden wären, zu meinen Gunsten zu uns ins Büro geholt, wenn's irgendwie machbar war.
Monatelang transferierten meine ArbeitskollegInnen mich im Rolli vom und zum Auto, die Ergotherapeuthin konnte mich im Büro behandeln.

Natürlich weiß ich nicht, was meine Chefs in all den Jahren immer so miteinander besprachen. Allerdings gaben sie mir nicht eine Sekunde das Gefühl, meine Krankheit würde ihnen zu viel werden und sie würden mich deshalb entlassen wollen. Nicht eine Sekunde!

Im Jahr 2014 schied Hr. Walther aus dem Büro aus und schon 2 bis 3 Jahre vorher begannen Gespräche zur Nachfolgeregelung. Hierzu wurden meine Kollegin Anja und ich eingeladen. Anfänglich bekundeten wir beide unser Interesse und es wurden einige Möglichkeiten durchgespielt, wie es zusammen mit Walter Reinhardt (Achtung, wenn Nachnamen = Vornamen sind:  Walther & Reinhardt waren Hermann Walther & Walter Reinhardt 😊) weiter gehen könnte.
Ich bin ja nicht bekannt dafür, vor Selbstbewusstsein zu strotzen, auch hier war ich bezüglich meiner Eignung, mehr Verantwortung zu übernehmen, Akquise zu betreiben  oder Mitarbeiter zu führen, nicht ohne Zweifel. Dennoch wollte ich diesen Schritt wagen. Hätte es nicht funktioniert, wäre mir bei einem Schritt zurück auch kein Zacken aus meiner Krone gebrochen.
Allerdings war Grübeln über können / nicht können sowieso bald schon obsolet. Donald sei Dank. Unter Tränen musste ich mir und den anderen eingestehen, dass im Hinblick auf meine ungewisse Zukunft, weitere Gespräche für mich keinen Sinn mehr machten.
So wird W & R seit 2014 geführt von Anja Hofstetter und Walter Reinhardt. An der Unterstützung für mich änderte dies aber nichts.

Der 7. Juli 2015 war mein letzter Arbeitstag im Büro in Herbolzheim. Denn am 8. Juli sollte sich endgültig alles ändern.
In einem mehrwöchigen Krankenhausaufenthalt, kurierte ich ab eben diesem verflixten 8. Juli eine schwere Lungenentzündung aus. Nach Wochen wieder daheim, war ich ein Pflegefall mit vollem Programm und einige Monate später Frührentner. An eine geregelte Arbeit war nicht mehr zu denken, schon gar nicht in Herbolzheim oder anderswo auswärts.
Aber heutzutage gibt es Internet und die Möglichkeit der Vernetzung.
Anja und Walter besuchten mich bald daheim und machten mir sehr deutlich, dass sie mich weiter im W & R-Team haben wollten . Die technischen Möglichkeiten wurden ausgelotet und schon bald konnte ich am Büro-PC im heimischen Wohnzimmer mit Vernetzung mit dem Büro über das Internet erste Arbeiten erledigen. Wie viel ich machen wollte oder konnte, entschied ich alleine.
Ab 2016 ließen wir dieses Arbeiten als Eingliederungsmaßnahme laufen, mit dem Rentenbescheid war ich 450 Euro-Jobber.
Weiterhin bekam und bekomme ich, was ich brauche. Gibt's technische Probleme, kommt schon auch mal der EDV-Administrator vorbei und hilft.
Fantastisch!

Und um zum Schluss noch einmal auf die Anfangsfrage zurück zu kommen, natürlich hat all das Genannte seinen Anteil. Dennoch wäre alles nichts ohne 2 Dinge: Mein Wille und der Wille von W & R, mich dabei haben zu wollen.
In meiner Situation bin ich einfach nur dankbar, arbeiten zu können.
Dankbar für die sinnvolle Tätigkeit.
Dankbar für die Möglichkeit, mich geistig fit zu halten.
Dankbar dafür, gebraucht zu werden.
Dankbar für positive Rückmeldungen aus dem Büro.
Dankbar natürlich auch für die Verdienstmöglichkeit.

Danke Walther & Reinhardt!

"Meine" Projekte und Gruppenbilder













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