Dienstag, 17. September 2019

555

"Die Zahl 555 ist die Art und Weise, wie deine Engel dir sagen, dass es an der Zeit ist, die Dinge loszulassen, die nicht mehr für dich funktionieren und sie durch neuere und bessere zu ersetzen."

Ich habe mitgezählt: Vorgestern absolvierte mein Intensivpflegedienst den Dienst Nummer 555, seit unser intensives Verhältnis am 16. Januar diesen Jahres begann. Darauf einen Tusch!
Ich möchte dieses Jubiläum aber auch zum Anlass nehmen, ein kleines Zwischenfazit zu ziehen.
Eins vorweg, diese 8 Monate zählen mit zum Anstrengendsten, was ich in meinem Leben mitmachen "durfte".

Wahrscheinlich hätten wir uns einfach schon deutlich früher um einen Intensivpflegedienst kümmern sollen.  Wahrscheinlich wäre das Einarbeiten dann auch ein Stück weit einfacher gewesen, als ich mich noch besser artikulieren konnte.
Nun ist es, wie es ist.
Die ersten Wochen waren besonders hart. Verstanden sich meine Frau, meine Schwester und die Damen aus Bötzingen pflegetechnisch nahezu blind mit mir, war in dieser Zeit jeder Tag ein Neuanfang. Jeden Tag kamen neue Leute ins Haus. Und alles, was ich ihnen erklären wollte, hatte ich  einerseits schon zig mal mitgemacht, war andererseits für mein Gegenüber aber oft unbekanntes, neues, im wahrsten Sinne des Wortes auch schwer verständliches Terrain.
Pflege zuhause, bedeutet sehr viel mehr Individualität als im Krankenhaus. Die dortige Pflege im Akkord erlaubt es kaum, dass auf Wünsche des Patienten eingegangen werden kann. Allerdings ist das Einarbeiten dann auch aufwändiger, wenn der Herr im eigenen Heim Wünsche und Vorstellungen dazu hat, was wann wie wo gemacht werden soll. Da ist auch für die Pflegenden gewiss Ungewohntes und mitunter auch richtiges Neuland dabei. Von beiden Seiten ist da sehr viel Geduld gefordert.
Sehr anstrengend waren auch die vielen fremden Menschen im Haus. Beispiel: Eine schon eingearbeitete Pflegekraft arbeitet eine weitere, teilweise auch zwei ein. Dann ist unsere Haushaltshilfe am werkeln und Physio oder Ergo oder Hausarzt sind auch noch angesagt. Es gab Vormittage, da wuselten 5 oder 6 Menschen in unserer Wohnung umher. Problematisch dabei war, dass anfänglich noch kein Bereich für unsere Gäste eingerichtet war, der als klar definierter Rückzugsort für den Pflegedienst genutzt werden konnte. Als es diesen Bereich gab, entspannte sich die Situation diesbezüglich auch bald.
Allerdings äußerten wir auch den Wunsch, nur noch maximal einen Einzuarbeitenden im Haus zu haben und - wenn möglich - nur noch Leute ins Haus zu holen mit der Perspektive, längerfristig bei uns zu bleiben. Wir wollten nicht vorübergehendes Auffangbecken sein für Kräfte aus anderen Versorgungen, die, warum auch immer, ruhten oder beendet waren. Dadurch, dass auf unsere Wünsche eingegangen wurde, lief auch das nach und nach besser.
Im April wurde dann endlich auch die Teamleitung besetzt, nachdem sich bis hier schon langsam das Gerüst eines Teams abzeichnete.
Nur leider leider musste dieses Team und das Teambuilding und nicht zuletzt wir in den kommenden Monaten immer wieder Rückschläge hinnehmen. Rückschläge, für die keiner was kann, der Pflegedienst nicht und wir auch nicht. Unser bis April meister Pfleger machte persönliche, für uns absolut nachvollziehbare Gründe für einen Teamwechsel geltend. Die nur in meinem Team eingesetzte Teamleiterin kündigte Ende Mai. Den schon fertigen Juni-Dienstplan  konnte man daraufhin quasi in die Tonne klopfen. Ab Anfang Juli blieb die bis Ende Juni meiste Pflegerin zuhause. Der hocherfreuliche Grund war ihre Schwangerschaft. Wir freuen uns ehrlich und von Herzen mit ihr und für sie, verabschieden sie aber auch mit einer Träne im Knopfloch. Nachdem die zweitmeiste Pflegerin im Juli noch krank wurde, war auch  der Juli-Plan obsolet. CASA durfte heftigst rotieren und improvisieren und das bisschen Kontinuität, dass aufgebaut wurde, ging wieder flöten.
Eine Erkenntnis: Es hat immer alles zwei Seiten: Beide letztgenannten Pflegerinnen sind bzw. waren überwiegend oder nur bei mir eingesetzt, was zu 100% in unserem Sinne ist, bringt es doch am schnellsten Kontinuität. Ein Ausfall wiegt dann allerdings umso schwerer.
Bis auf ein, zwei Ausnahmen waren die Dienste aber besetzt, zwei, drei Mal mit verkürzter Dauer. Aber in Anbetracht der sich zwischenzeitlich auftuenden großen Lücken im Dienstplan, konnten wir wirklich zufrieden sein. Guter Job von CASA.
Allerdings riss der Strom neuer und neu einzuarbeitender Pfleger nicht ab. Ok, Strom ist etwas übertrieben, aber stressig wars trotzdem. Wobei, die ganzen Neuanfänge konnten wir, auch alle Pfleger, im Nachgang betrachtet, durchaus routinierter bestreiten als noch ein halbes Jahr zuvor.  Finde ich.
Demnächst wird uns eine weitere "Altgediente" verlassen, sie will in ihre Heimat zurück. Wofür wir aber auch volles Verständnis haben. Mit der nächsten Träne im Knopfloch. Ich habe aber die Hoffnung, dass dieser nächste Nackenschlag für uns nochmal ein bisschen besser abgefedert werden kann. Man hat hier auch etwas mehr Vorlauf.
Jetzt, Mitte September, habe ich tatsächlich das Gefühl, das fragile Haus Team March konsilidiert sich gerade. Schaumermal.
Ein wenig ein Kampf ist immer noch die Organisation der Verbrauchsmittel, Medikamente etc. Martina und Lucia hatten das bestens im Griff, an der Abstimmung mit CASA und seinen Mitarbeitern muss diesbezüglich noch etwas gefeilt werden. Wir arbeiten dran.
Seit einiger Zeit bekommen meine Pflegekräfte dann und wann Liebesbriefe von mir, auf die sich alle freuen. Es ist meine Art der Kommunikation, um Abläufe aus meiner Sicht zu verbessern. Die Reaktionen darauf sind durchweg positiv, zumindest mir gegenüber. 😊
Überhaupt bewundere ich die Geduld, die mir gegenüber an den Tag gelegt wird. Sie dürfen und sollen auch gerne zurück maulen, wenn ich maulig bin. Aber vermutlich verstehen sie mein Maulen genauso schlecht wie den Rest und sagen dann lieber nichts. 😊
Als sehr positiv empfand ich, wie "meine" Leute in den Tagen des Todes und der Beerdigung meiner Schwägerin Marion ihren Dienst versahen. Diskret und angemessen.
Auch positiv: Manchmal wird auch zu viel gekümmert, wie ich und wir aber gerade unterstützt und vorbereitet werden auf meinen im Oktober anstehenden Krankenhausaufenthalt, ist aller Ehren wert.

21 Pfleger*innen durften wir bis heute begrüßen, 21 Pfleger*innen sind 21 unterschiedliche Charaktere. Es ist  dabei immer zwangsläufig ein Lernprozess, für alle, wie man am besten zusammen kommt. Anstrengend einerseits, aber auch spannend.
Im Großen und Ganzen sind wir zufrieden mit dem Pflegedienst und seinen motivierten Leuten. Müsste ich eine Note vergeben, wäre es wahrscheinlich eine 2-. Mit klarer Tendenz nach oben.
Was ich wohl nach Dienst Nr. 1111 schreibe?
In jedem Fall ist mein Pflegedienst alternativlos, grade auch im Hinblick auf die Pläne von Spahn & Co.

Trivia: 13 der 21 waren/sind Raucher. Wo gefühlt überall in der Gesellschaft Raucher auf dem Rückzug sind, scheint das ausgerechnet unter Menschen, die sich um die Gesundheit ihrer Mitmenschen kümmern, nicht der Fall zu sein.  Für mich kein Problem, solange auch zukünftig der Rauch komplett draußen bleibt.

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Von Esoterik halte ich nichts. Was ich beim spaßigen und oberflächlichen Surfen nach einer möglichen Bedeutung der Zahl 555 gefunden habe, macht mich allerdings minimal stutzig. Könnte man es doch kaum besser formulieren, was auf mich im Oktober mit der Anlage einer Trachealkanüle zukommt.

"Die Zahl 555 ist die Art und Weise, wie deine Engel dir sagen, dass es an der Zeit ist, die Dinge loszulassen, die nicht mehr für dich funktionieren und sie durch neuere und bessere zu ersetzen." 

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