Sonntag, 11. August 2019

Alle 5 Sinne

Der Mensch nimmt die Umwelt klassischerweise mit seinen fünf Sinnen wahr:
  • Wir sehen mit den Augen.
  • Wir hören mit den Ohren.
  • Wir riechen mit der Nase.
  • Wir schmecken mit der Zunge.
  • Wir tasten mit der Haut.

So weit, so gut.
Donald ist hier gnädig. Er lässt mich weiter sehen, hören, riechen, schmecken, tasten. Mein Schmerz-, Wärme- und Kälteempfinden lässt er mir ebenfalls, ich merke es, wenn zum Beispiel mein Fuß eingeklemmt wird, das Waschwasser zu heiß ist, die Bettdecke zu kurz ist oder Physio Stefan zu sehr überdehnt.
Schmerzen an sich gehören ja nicht ins Portfolio der ALS. Das ist tatsächlich Donalds einzige positive Eigenschaft. Nicht auszudenken, müsste sich der gemeine ALS-Patient auch noch mit Schmerzen und deren Folgen und Schmerzbekämpfung auseinandersetzen.
Aber genug gelobt jetzt.

Die 5 Sinne also, denen Donald eigentlich nichts anhaben kann. Eigentlich.
- Das Sehen bleibt! Das ist erstmal schön. Nur beeinflusst Donald massiv die Randbedingungen, indem er das Sichtfeld einschränkt. Angefangen vom Verlust des aufrechten Ganges bis zur deutlich reduzierten bis komplett verschwundenen Beweglichkeit des Kopfes.
- Das Hören bleibt! Da gibt's erstmal wenig zu mäkeln. Aber Donald wäre ja nicht Donald...: Für mich ist hören können, ohne antworten zu können, in Sprache oder Gebaren, nur die Hälfte wert.
- Das Riechen bleibt! Simon hält mir hin und wieder etwas (Essen, Blume, sein Fuß 😃) vor die Luftansaugöffnungen des Beatmungsgerätes. Oder die Pflege reinigt das Gerät mit lösungsmittelhaltigem Zeugs. Dann kann ich riechen. Mehr verhindert die Beatmungsmaske im Gesicht. Das wird wieder besser, wenn ich irgendwann die momentane Maskenbeatmung durch inasive Beatmung (= "Loch im Hals") ersetzt haben werde. Was für eine Alternative.
- Das Schmecken bleibt! Das Schmecken dessen, was ich mich noch traue, auch runter zu schlucken: Joghurt, möglichst mit nur winzigen Fruchtstückchen. Pudding. Getränke.
- Das Tasten bleibt! Wenn meine Hand geführt wird oder das zu ertastende wird mir zugeführt, dann kann ich tasten, fühlen mit meiner Haut.


Meine grösste Angst vor einer Krankheit, einem Gebrechen, war zeitlebens immer die, nicht mehr sehen zu können, blind zu werden! Eine Horrorvorstellung, schon allein das Blau des Himmels nicht mehr wahrnehmen zu können.
Ironischerweise steuere ich heute auf einen Zustand zu, bei dem gerade die Augen bis ganz zum Schluss funktionieren werden (müssen). Wenn meine Augen mehr Kommunikationsmittel als Sehorgan sein werden. Mein letztes Tor nach "draußen" , Stichwort Locked-In. Mehr zu diesem sehr komplexen Thema aber ein ander Mal.

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