Davon will ich in diesem Blog erzählen, habe ich bei "Über mich" geschrieben. Dabei sind Wiederholungen von Geschriebenem nicht angestrebt, aber auch nicht gänzlich zu vermeiden.
Ganz bewusst wiederholen will ich mich dagegen beim Thema "Jens Spahn will mir mein Zuhause nehmen.", überlagert das aktuell doch grade alle meine anderen Themen.
Matern v. Marschalls Büro hat sich übrigens schon gemeldet bei mir, persönlich will er das tun nach Ende der Sommerpause. Schaumermal.
Achja, unterschreiben und teilen kann man weiterhin die online-Petition:
Lasst Pflegebedürftigen ihr Zuhause! Stoppt das Intensivpflegestärkungsgesetz
Ganz bewusst wiederholen will ich mich dagegen beim Thema "Jens Spahn will mir mein Zuhause nehmen.", überlagert das aktuell doch grade alle meine anderen Themen.
Matern v. Marschalls Büro hat sich übrigens schon gemeldet bei mir, persönlich will er das tun nach Ende der Sommerpause. Schaumermal.
Achja, unterschreiben und teilen kann man weiterhin die online-Petition:
Lasst Pflegebedürftigen ihr Zuhause! Stoppt das Intensivpflegestärkungsgesetz
Martin Schweizer March,
28.08.2019
Friedhofstraße 13
79232 March
Bundesgesundheitsministerium
11055 Berlin
Referentenentwurf
„Reha- und Intensivpflege-Stärkungsgesetz – (RISG)“
Sehr geehrter Herr Bundesgesundheitsminister
Spahn,
ich muss dringend etwas los werden,
deshalb schreibe ich diesen Brief an Sie. Es würde mich freuen, wenn Sie, Herr
Minister, dieses Schreiben auch vorgelegt bekommen und sich dann die Zeit
nehmen könnten, es auch ganz zu lesen.
Mein Name ist Martin Schweizer. Ich muss
damit leben, an der unheilbaren Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) erkrankt zu
sein.
Doch leider ist das nicht alles, da die
Folgen dieser fiesen Krankheit auch meine Familie betreffen. Meine Ehefrau
Martina und unsere Söhne Lucas (12) und Simon (9). Und unser Umfeld.
Seit etwa 2 Wochen, als ich erstmals von
Ihrem Referentenentwurf „Gesetz zur Stärkung von Rehabilitation und
intensivpflegerischer Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung“
las, ist mein Päckchen, das ich zu tragen habe, auf einen Schlag noch einmal um
einiges schwerer geworden.
Seit etwa 2 Wochen habe ich Angst.
Wie schon erwähnt: Ich leide an ALS.
Volles Programm. Gelähmt im Rollstuhl und seit 4 Jahren beatmet. Bin komplett
auf Hilfe angewiesen, betreut von meiner Frau und einem Intensivpflegedienst,
23 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche. Das ist eine riesige Herausforderung für
alle, verbunden mit ganz viel Aufwand, ohne Frage.
Aber ich bin zuhause, kann direkt
teilhaben am Leben meiner Familie, verfolge die Entwicklung meiner Kinder,
tanke Kraft durch ihre Zuneigung, durch ihr für mich da sein. Unsere Familien
und Freunde besuchen mich, ermöglichen mir - zusammen mit den Pflegekräften - Teilhabe
auch außerhalb meiner 4 Wände. Auch das gibt mir Kraft.
Die Pflegekräfte, allesamt ohne Zweifel
Fachleute auf dem Gebiet der Intensivpflege, haben Zeit für meine Pflege und
können auf von mir geäußerte Wünsche eingehen. Die Verständigung ist mit mein
größtes Problem, dafür haben wir aber Zeit, meine Worte, Sätze mit Hilfsmitteln
zu erarbeiten. Eine Minute für ein Wort ist dabei keine Seltenheit. Es ist Zeit
da, mit dem Patienten mal rauszugehen, mal einen Dialog mit mir oder meiner
Familie außerhalb der Krankheit zu führen. Neudeutsch ist das eine
win-win-Situation, von der am Ende alle profitieren.
Alles ganz anders als im Krankenhaus oder
Pflegeheim, wenn Pflege gleich Arbeit im Akkord bedeutet.
Nun musste ich in Ihrem Gesetzentwurf unter
anderem lesen:
„Außerklinische Intensivpflege soll in der Regel in
stationären Pflegeeinrichtungen und spezialisierten Wohneinheiten erbracht
werden. Auch hier gelten strenge Qualitätsstandards. In Ausnahmefällen besteht
auch künftig ein Anspruch auf Intensivpflege in der eigenen Häuslichkeit,
beispielsweise bei minderjährigen Kindern.“
Konsequenz für mich: Statt wie bisher in
vertrauter Umgebung mit meiner Familie leben zu können, soll ich demnächst in
einem Heim landen.
Das macht mir Angst! Große Angst.
Herr Spahn, gerne würde ich Ihnen
vorschlagen, sich einmal in meine Lage zu versetzen: Gestraft zu sein mit ALS,
gerne auch länger als auf eine Eiskübellänge. Dann stellen Sie sich bitte vor,
aus Ihrer vertrauten Umgebung herausgerissen und gegen Ihren Willen in ein
Pflegeheim zwangsumgesiedelt zu werden. Ohne das, was Ihnen am wichtigsten ist,
ohne Ihre Lieben. Und gewiss mit schlechterer Pflege. Wobei die Leute nicht
schlechter pflegen, nein, wenn aber eine Pflegekraft dann wieder für 4 oder
mehr Schwerstpflegebedürftige zuständig ist, bleiben zwangsläufig die Patienten
auf der Strecke. Können Sie sich das vorstellen?
Ich hingegen stelle mir immer öfter vor:
Wenn ich im Heim wäre, müsste meine Frau
die Dinge des Alltags, die ich aktuell noch beizusteuern imstande bin, dann
auch noch erledigen?
Wenn ich im Heim wäre, dürfte meine Frau
schlussendlich dann alle Hausaufgaben mit unseren Jungs ganz alleine durchgehen?
Wenn ich im Heim wäre, machte es für
meinen ehemaligen Arbeitgeber dann überhaupt noch Sinn, sich technisch und
logistisch dafür einzusetzen, dass ich zumindest einige wenige Stunden im Monat
für ihn tätig sein kann? Dass ich kleinere Projekte erledigen kann, so wie es
bis dato möglich ist?
Wenn ich all das nicht mehr machen könnte,
was wäre meine Alternative im Heim? Selbstbestimmt TV gucken den ganzen Tag? Nase
bohren oder Däumchen drehen geht leider nicht, ich habe ALS.
Wenn ich im Heim wäre, wer ginge mit mir
zu Klassenfesten meiner Kinder, wo Papa endlich auch mal die Lehrer kennenlernt
und stolze Söhne vorführen, was sie gelernt und vorbereitet haben?
Wenn ich im Heim wäre, wer ginge mit mir
einfach mal so für 1 bis 2 Stunden raus? Raus in die Sonne, raus an die frische
Luft? Wer setzt sich neben mich und teilt mir mir sein Schweigen?
Wenn ich im Heim wäre, wer ginge mit mir
ins Thermalbad, wo ich mich im Wasser für kurze Zeit von meiner Gefangenschaft
im eigenen Körper befreit fühlen kann?
Wenn ich im Heim wäre, wer ginge mit mir
zum Konzert ‚meines‘ Musikvereines, bei dem ich mehr als 35 Jahre selbst
trompetet habe?
Wenn ich im Heim wäre, dürfte ich dort
Geburtstage feiern mit 100 Freunden einschließlich der Kapelle des
Musikvereines?
Wenn ich im Heim wäre, was soll ich dann
mit meiner Dauerkarte für den SC Freiburg machen?
Wenn ich im Heim wäre, wer würde mir bei
einer Rundfahrt die Veränderungen in Dorf-. Stadt- und Landschaftsbild in
meiner Heimat zeigen, etwas, das mich schon immer interessierte?
Was mir auch nicht aus dem Kopf geht: Die
Frage, warum eigentlich die besten Intensivpflegekräfte den Krankenhäusern und
Pflegeheimen mehr und mehr den Rücken kehren? Warum sie lieber in die 1:1-Pflege
bei Pflegediensten gehen, Gehaltseinbußen eingeschlossen? Haben Sie dafür eine
Erklärung?
Meine kurze und knappe Antwort: Immer
weniger Pflegekräfte sind heute noch bereit, sich verheizen zu lassen. Mit
Recht!
Und glauben Sie vor diesem Hintergrund wirklich,
die kommen alle wieder zurück, wenn Pflegedienste erfolgreich im Sinne Ihres
Gesetzentwurfes ‚bekämpft‘ sind? Als Antwort hier das Zitat einer meiner
Pflegerinnen, ich befürchte exemplarisch: „Dann lieber Ikea!“
Ich schreibe hier immer nur von mir, bin
aber der festen Überzeugung, dass der größte Teil meiner Leidensgenossen ohne
Chance auf Beatmungs-Entwöhnung, Ihr Gesetzentwurf genauso fassungslos und
wütend gemacht hat wie mich. Derlei Reaktionen sind vielfach im Internet zu
‚bewundern‘.
Stellvertretend für sehr viele
Betroffenenverbände habe ich Stellungnahmen des VdK und der DGM angehängt und
verlinkt. Der Tenor ist bei allen der Gleiche, er dürfte Ihnen auch nicht
verborgen geblieben sein.
Erlauben Sie mir auch Hinweise auf unser
Grundgesetz Artikel 3, Absatz 3 und auf Artikel 19 der
UN-Behindertenrechtskonvention, eigentlich jeweils mit deutlichen Aussagen zu
diesem Thema. Beides ist diesem Schreiben ebenfalls angehängt.
Sicherheitshalber.
Das alles brauchts aber eigentlich auch
gar nicht. Vielleicht reden Sie einfach mal selbst mit Beatmungspatienten, die
heute daheim gepflegt werden, einfach mal fragen: „Würdest du ins Heim gehen?“
Sie würden staunen, oder auch nicht, wie viele lieber tot wären.
Ich würde Ihnen antworten: „Seien Sie heute schon
ganz herzlich eingeladen zum fröhlichen Stecker ziehen an dem Tag, wenn Jens
Spahn mich aus meinem Zuhause raus schmeißt. Ins Heim geh ich nicht!“
Noch eine Anmerkung. Ich war, bis meine
Krankheit es nicht mehr zuließ, einige Jahre in der Kommunalpolitik aktiv.
Diese Zeit hat mich gelehrt, weniger bzw. nicht sofort auf Politiker zu
schimpfen, ich will eigentlich immer zuerst von Kompetenz, Empathie und Gutem
Willen der jeweiligen Person ausgehen, bevor ich lospoltere. Dieser Vorsatz
wurde in den vergangenen Tagen allerdings auf eine harte Probe gestellt. Mal
wieder. Leider mal wieder.
Was schlussendlich meine Forderung und
Bitte als direkt Betroffener an Sie als verantwortlichen Minister betrifft,
übernehme ich die Worte des VdK, weil ich es nicht treffender schreiben könnte:
Betroffene müssen ein Recht haben zu
entscheiden, wo sie leben und gepflegt werden möchten. Die Menschenwürde, die
Freiheit des Einzelnen und die Freizügigkeit sind unsere stärksten Grundrechte.
Sie aus Kostengründen einzuschränken, wäre verfassungswidrig.
Ich fordere das Bundesgesundheitsministerium auf, hier nachzubessern und
sicherzustellen, dass niemand gegen seinen Willen in ein Pflegeheim gehen muss.
Und ganz zum Schluss würde ich Sie gerne
zu mir nach Hause einladen, damit Sie sich auch selbst ein Bild von meiner
Situation, meinem Leben trotz Krankheit und meiner Pflege machen können. Vielleicht
verstehen Sie mein Problem dann besser?
Ich freue mich darauf, von Ihnen zu hören!
Für Rückfragen stehe ich gerne zur
Verfügung und verbleibe
mit freundliches Grüßen
Martin Schweizer
Anlagen
Artikel
3 Absatz 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland
(3) Niemand darf wegen seines
Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat
und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen
benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung
benachteiligt werden.
Artikel
19 UN-BRK Selbstbestimmte Lebensführung und Einbeziehung in die Gemeinschaft
Die Vertragsstaaten dieses Übereinkommens
anerkennen das gleiche Recht aller Menschen mit Behinderungen, mit gleichen
Wahlmöglichkeiten wie andere Menschen in der Gemeinschaft zu leben, und treffen
wirksame und geeignete Maßnahmen, um Menschen mit Behinderungen den vollen
Genuss dieses Rechts und ihre volle Einbeziehung in die Gemeinschaft und
Teilhabe an der Gemeinschaft zu erleichtern, indem sie unter anderem
gewährleisten, dass
a) Menschen mit Behinderungen
gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu
entscheiden, wo und mit wem sie leben, und nicht verpflichtet sind, in
besonderen Wohnformen zu leben;
b) Menschen mit Behinderungen Zugang zu
einer Reihe von gemeindenahen Unterstützungsdiensten zu Hause und in
Einrichtungen sowie zu sonstigen gemeindenahen Unterstützungsdiensten haben,
einschließlich der persönlichen Assistenz, die zur Unterstützung des Lebens in
der Gemeinschaft und der Einbeziehung in die Gemeinschaft sowie zur
Verhinderung von Isolation und Absonderung von der Gemeinschaft notwendig ist;
c) gemeindenahe Dienstleistungen und
Einrichtungen für die Allgemeinheit Menschen mit Behinderungen auf der
Grundlage der Gleichberechtigung zur Verfügung stehen und ihren Bedürfnissen
Rechnung tragen.
Auszug
aus einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke vom
19.08.2019
(…) Aus Sicht der DGM fehlt in dem
Gesetzentwurf der Blick auf Menschen mit einer neuromuskulären, insbesondere
neurodegenerativen Erkrankung. Bei den über 800 verschiedenen
Muskelerkrankungen gibt es zahlreiche Verläufe, die zwangsläufig zu einem
späteren Zeitpunkt zu einer Beatmung führen und bei denen keine Chance zu einer
Entwöhnung besteht. Diese Menschen möchten die Möglichkeit, ein Leben in
größtmöglicher Selbstbestimmung führen zu können, auch zukünftig in Anspruch
nehmen. Die Wahlmöglichkeit der Versorgungsalternativen muss ohne bürokratische
Hindernisse gegeben sein. Dazu braucht es sowohl Qualitätsstandards in
Wohngruppen und stationären Wohnheimen als auch ausreichend ausgebildetes
Intensivpflegepersonal für die häusliche Versorgung. Wir fordern den
Gesetzgeber auf, medizinische Indikationen in den Gesetzesentwurf aufzunehmen,
um den betreffenden Patienten die Möglichkeit der Heimbeatmung ohne
bürokratische oder zeitliche Barrieren zu ermöglichen. Kosteneinsparungen
dürfen nicht dazu führen, dass Menschen eine Versorgung mit Heimbeatmung
abgesprochen wird.
Auszug
aus einer Pressemitteilung der Sozialverbandes VdK vom 21.08.2019
(…)
„Betroffene müssen ein Recht haben zu entscheiden, wo sie leben und gepflegt
werden möchten. Die Menschenwürde, die Freiheit des Einzelnen und die
Freizügigkeit sind unsere stärksten Grundrechte. Sie aus Kostengründen
einzuschränken, wäre verfassungswidrig“, mahnt
VdK-Präsidentin Verena Bentele. „Wir als VdK fordern das Bundesgesundheitsministerium auf, hier
nachzubessern und sicherzustellen, dass niemand gegen seinen Willen in ein
Pflegeheim gehen muss.“ (…)
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