Sonntag, 23. Juni 2019

Ich könnte heulen...

Männer weinen nicht!

Gesunde Männer weinen nicht?
Bei mir war das so. Weinen ging irgendwie nicht. Und war ein Anlass noch so traurig, eine Geschichte noch so rührselig, kein Auge bleibt trocken, war bei mir nicht. Nicht mal Tränen des Glücks in den unbeschwerten Zeiten mit den vielen tollen Momenten mit Martina, Lucas und Simon. Manchmal war ich mir dann nicht selbst geheuer. Mensch, warum kann ich nicht heulen?

Und heute?

Donald hat etwas bewirkt, dass bei mir ganz oft ganz schnell alle Dämme brechen, irgendwie hat er den Hahn gefunden, der meinen Tränen freien Lauf lässt, schneller als ich gucken kann.
Angefangen hat es glaube ich, als ich realisierte, bei mir stimmt was nicht und das womöglich längerfristig und ich mich als denjenigen sah, den die ersten Bewohner um uns rum nur noch als den "Hinkenden" kennen. Das war wohl Donalds prägender Tränendrüsenmoment.
Titanic mit Leo & Kate ginge ich heute nicht mehr, reicht doch schon gespielte Rührung und die Schleusen öffnen sich. Oder eine Ehrung, eine besonders gute Leistung bei was auch immer. Nur mal drei Beispiele die mit mir eigentlich so gar nichts zu tun haben: Die Geschichte von Freddie Mercury im Film Bohemian Rhapsody oder Wohnungsübergabe bei Zuhause im Glück oder Dirk Nowitzkis Abschied aus der NBA: 3 mal Rotz & Wasser. Die Pflegekraft bitte ich dann, meine Augen auszureiben, weil was drin wäre und sie deshalb tränten. Männer und Weinen...
Gar schlimm wird's, wenn ich irgendwo bin, wo viele Bekannte sind, die ich länger nicht gesehen habe. Wenn man sich ansieht - Gespräche gehen ja praktisch nicht mehr-, dann würde ich gerne lächeln, meist kann ich aber nur mühsam Tränen unterdrücken. Dann weiß ich gar nicht, heule ich jetzt wegen dem Mitleid meines Gegenüber oder hat der Mitleid, weil ich so nah am Wasser gebaut bin? Henne oder Ei?
Dieses Mitleid oder besser dieses Unbeholfene, auch so ein Thema, wie trete ich jemandem gegenüber, der doch einigermaßen heftig vom Schicksal gebeutelt ist und dem man das ja auch ansieht dank Beatmung, Rollstuhl & Co.? "Macht's doch einfach wie vor 10 Jahren, seid ganz normal verdammt nochmal" geht mir dann durch Kopf, um mich gleich darauf wieder selbst zu beschwichtigen: Wie würde ich reagieren in ähnlichen Situationen? Wahrscheinlich genauso, wie ich es selbst am wenigsten wollte. Vielleicht hülfen auch weniger Tränen? Doch wo ist der Hahn?
Nicht verzichten will ich auf's heulen können, wenn es meinen Lieben gut geht. Die Momente, wenn Martina mal unbeschwert sein kann oder wenn meine Jungs voller Stolz etwas vorführen, die genieße ich. Geht's ihnen gut, bin ich glücklich. Das ist mir jede Träne wert!

Heulen muss ich, wenn ich drüber nachdenke, was ich alles nicht mehr machen kann.
Heulen muss ich aber auch, wenn ich sehe, wie ich unterstützt werde. Heulen vor Dankbarkeit.

Heulen muss ich, wenn ich drüber nachdenke, dass meine Jungs in viel zu vielen Situationen ohne Papa zu Leben lernen.
Heulen muss ich, wenn ich dankbar die Momente erleben darf, in denen ich ihnen dann doch was vermitteln kann, wenn sie mich fragen und ich antworten darf.

Heulen muss ich, wenn ich drüber nachdenke, dass ich mir mein Leben mit Martina komplett anders vorgestellt hatte. Und sie ihres mit mir.
Heulen muss ich vor Freude und Dankbarkeit, wenn ich über Martinas Entscheidung nachdenke, Donald und seine Folgen gemeinsam mit mir durchstehen zu wollen, komme was wolle. Somit habe ich zumindest mein Leben mit Martina.



Also, kranke Männer dürfen und sollen weinen. Gesunde nicht weniger.
Mir zumindest hilft es. Auch wenn's manchmal echt zu viel ist. 😊😊

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen